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Hierfür werden sogenannte pädiatrische Entwicklungspläne von der EMA verabschiedet, die den Unternehmen auch zeitliche Vorgaben machen. Bei den Impfstoffherstellern wurde als Zielmarke Juli 2024 beziehungsweise Dezember 2024 angegeben.
Den späten Zeitpunkt erklärt der Verband Forschender Arzneimittelhersteller damit, dass sich das Datum jeweils auf das Ende der Nachbeobachtungen beziehe, die jedoch „viel länger laufen als die für einen Zulassungsantrag wesentliche Ermittlung der Wirksamkeit“, so ein Sprecher. Wann jene wesentlichen Ermittlungen vorliegen sollen, sei dabei nicht vorgegeben worden.
Wie schnell eine Zulassung von den Herstellern tatsächlich beantragt wird, ist also nur schwer abzuschätzen. Martin Terhardt, Kinder- und Jugendarzt und Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko), sagte WELT, er gehe davon aus, dass die ersten Impfstoffe für Kinder ab zwölf Jahren frühestens Ende des Jahres zugelassen werden.
Das Hindernis: Um valide Daten zu erheben, müssten an den Studien möglichst viele Kinder teilnehmen. Anders als im vergangenen Jahr, als sich Tausende Freiwillige gemeldet hatten, ist es für die Hersteller nun allerdings schwieriger als vorher, genügend Studienteilnehmer zu finden. Eine Hürde sei das nötige Einverständnis der Eltern, so Terhardt, von denen viele mögliche Nebenwirkungen bei ihren Kindern fürchteten.
Experten halten Kinder-Impfungen für dringend nötig
Der späte Zeitpunkt der Studienergebnisse könnte laut Experten noch zum Problem werden. „Ich gehe nicht davon aus, dass eine Herdenimmunität ohne das Impfen von Kindern möglich ist“, sagte Hans-Iko Huppertz, Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin, WELT. Das Ziel einer Immunisierung von 70 Prozent der Bevölkerung sei darauf ausgelegt, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in etwa gleichmäßig geimpft seien.
Sei das jedoch bei einer klar umgrenzten Gruppe nicht der Fall, könne sich das Virus dort ungehindert ausbreiten. „Stellen Sie sich 100 Schafherden vor, von denen nur fünf Herden nicht geimpft sind – sobald das Virus in eine dieser Herden kommt, wird es sich dort enorm ausbreiten.“ Würden also gar keine Kinder geimpft, könne es auch wieder die ungeimpften Erwachsenen erreichen, so Huppertz.
Die Sorge teilt Thomas Fischbach, Kinderarzt und Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. „Wenn nicht quer durch alle Bevölkerungsgruppen geimpft wird, kann eine weitgehende Immunität in der Gesamtbevölkerung auf keinen Fall entstehen“, so Fischbach. „Die Studien und die Forschung an Corona-Impfstoffen für Kinder müssen unbedingt vorangetrieben und unterstützt werden – von der Politik hören wir in diesem Bereich nichts.“
Für Andrew Ullmann, Infektiologe und Obmann der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss des Bundestages, ist die fehlende Aufmerksamkeit ein grundsätzliches Problem. „Der Mangel an Kinderstudien im Allgemeinen ist bereits jetzt schon eklatant“, so Ullmann. Er erwarte hierbei von der forschenden Pharmaindustrie mehr Aktivität.
„Dabei spielt es in einer Pandemie keine Rolle, ob die Kinder wenige oder keine Symptome erleiden, da sie das Virus weiterverbreiten können“, sagte Ullmann. Voraussetzung für die Debatte ist dabei, dass die Impfung auch tatsächlich Ansteckungen verhindern kann – und nicht nur schwere Verläufe. Hierzu werden noch Studienergebnisse erwartet.
Etwas zurückhaltender zeigt sich Kordula Schulz-Asche, Berichterstatterin der Grünen-Bundestagsfraktion für Infektionsschutz. So sei es selbstverständlich zu begrüßen, dass Impfstoff-Studien für Kinder aufgelegt werden. Es sei allerdings wichtig zu betonen, dass die Patientensicherheit besonders bei Kindern an erster Stelle stehen müsse. „Deshalb dürfen in dieser Hinsicht jetzt trotz pandemischer Lage keine Schnellschüsse abgefeuert werden.“
Doch diese Gefahr besteht derzeit wohl kaum.