Wie der Lockdown nach Deutschland kam
Ein hoher Mitarbeiter von Gesundheitsminister Jens Spahn hat im Februar 2019 an einer international besetzten Pandemie-Übung teilgenommen, die von privat finanzierten US-Institutionen organisiert wurde. Ein Jahr später empfahl der gleiche Beamte mehreren Staatssekretären des Bundesinnenministeriums, Lockdown-Maßnahmen vorzubereiten – die in keinem offiziellen Pandemieplan enthalten waren. Auf Multipolar-Nachfrage will er sich dazu nicht äußern. Eine Recherche macht deutlich: Ein international verzweigtes Biosecurity-Netzwerk war kurz vor Ausbruch der Krise sehr aktiv.
Eine Pandemie-Übung in München 2019
Was bisher nicht bekannt war: Der gleiche Ministerialbeamte, der der Bundesregierung im Februar 2020 die Lockdown-Maßnahmen empfahl, hatte ein Jahr zuvor als deutscher Vertreter an einem hochrangig besetzten Pandemie-Planspiel teilgenommen, das von privat finanzierten US-Institutionen organisiert worden war. Dort begegnete er dem „Who is who“ der internationalen Biosecurity-Szene, einer kleinen Gruppe von Lobbyisten und Fachleuten, die seit dem globalen Schock der Trump-Präsidentschaft im Jahr 2017 wieder verstärkt und mit viel Sponsorengeldern vor Pandemien und Bioterror warnten und politische Entscheidungsträger aus vielen Ländern der Welt in entsprechende Planspiele einspannten.
Die bekanntesten dieser Übungen sind „Event 201“ im Oktober 2019 in New York und „Clade X“ im Mai 2018 in Washington. Bislang kaum bekannt ist dagegen die zeitlich dazwischen liegende Übung, die am 14. Februar 2019, einen Tag vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz, in München stattfand. Rottmann-Großner, Spahns Unterabteilungsleiter für „Gesundheitssicherheit“, traf dort auf Schlüsselpersonen der internationalen Biosecurity-Szene, die in der breiten Öffentlichkeit jedoch kaum bekannt sind.
Bill Gates als Ideengeber
Die Übung in München war offenbar von Bill Gates inspiriert, der auf der Münchner Sicherheitskonferenz des Jahres 2017 erklärt hatte, dass „die nächste Epidemie auf dem Computerbildschirm eines Terroristen entstehen könnte, der mit Hilfe von Gentechnik einen extrem ansteckenden und tödlichen Grippeerreger erzeugen will“. Man müsse sich daher „auf Epidemien so vorbereiten, wie das Militär auf einen Krieg“. Dazu gehörten Planspiele (Gates: „Germ Games“) und andere Notfallübungen. Im Abschlussbericht zur Übung 2019 wurde aus Gates' damaliger Rede wörtlich zitiert: „Wir ignorieren die Verbindung zwischen Gesundheitssicherheit und internationaler Sicherheit auf unsere eigene Gefahr“
Vertrauliche Gespräche
Was die Teilnehmer der Übung in München konkret miteinander besprachen, ist nicht bekannt. Die Veranstaltung fand laut Abschlussbericht unter der sogenannten „Chatham House Rule“ statt, die zum Beispiel auch bei den Bilderberg-Treffen gilt und wonach sich die Anwesenden verpflichten, Geheimhaltung darüber zu wahren, wer was gesagt hat. Ziel ist es, einen möglichst offenen Austausch zu ermöglichen. Somit ist unklar, welche Gespräche Spahns Beamter dort genau geführt hat.
Mit dabei: Lothar Wieler
Rottmann-Großner war dafür offenbar einer der Ansprechpartner, unter mehreren. Beim Planspiel in München war er jedenfalls nicht der einzige Vertreter Deutschlands. Im Text des veröffentlichten Abschlussberichts bleibt es zwar unerwähnt, es ist aber dennoch auf einem darin enthaltenen Foto zu sehen: RKI-Präsident Lothar Wieler war ebenfalls zugegen.