Vorsitzende des Nieders. Flüchtlingsrates
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Porträt: Die Irische Anwältin Claire Deery in Göttingen
Sie wurde in Münster als Kind irischer Eltern geboren. Heute vertritt Claire Deery als Rechtsanwältin die Interessen von Menschen, die „anders als ich nicht das Glück haben, einen EU-Pass zu besitzen“. Anfang der 80er Jahre bekam der irische Lehrer James Deery eine Stelle an einem Gymnasium in Borghorst bei Münster.
Ein Jahr darauf holte er seine Freundin und spätere Frau Frances nach, wiederum ein Jahr später kam Tochter Claire zur Welt. Zuhause sprach die Familie Englisch, Deutsch lernte das Mädchen erst im Kindergarten. „Bis zur siebten Klasse hatte ich sprachliche Defizite“, erzählt die heute 31-Jährige. „Nur weil ich unglaublich viel gelesen habe, konnte ich sie allmählich überwinden.“
Nach dem Abitur studierte sie Jura, mit dem Schwerpunkt Ausländer- und Asylrecht. „Das ist definitiv spannender als Mietrecht“, sagt sie, und außerdem habe nicht weit von ihrem Elternhaus eine Unterkunft für bosnische Flüchtlinge gestanden.
„Vor Gericht zählen Fakten“
Schließlich habe ihre Mutter, als sie nach Deutschland kam, die Sprache überhaupt nicht gesprochen. „Ich habe also erfahren, wie es ist, mit Schwierigkeiten in einem fremden Land konfrontiert zu sein.“
Nach Studium und Referendariat trat Deery 2010 eine Stelle in der Göttinger Kanzlei Waldmann-Stocker an. Seit Januar 2013 ist sie Partnerin. Als Anwältin vertritt sie Flüchtlinge, deren Asylbegehren abgelehnt wurden, und Nicht-Deutsche, die keine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Die Irin kümmert sich um Familienzusammenführungen, hilft bei Visaanträgen und kämpft gegen Abschiebungen.
Viele ihrer Klienten leben im Grenzdurchgangslager Friedland. Derzeit vertritt sie besonders viele Afghanen, Iraner und Syrer. „Vor Gericht zählen Fakten“, sagt die Anwältin. Darum bereite sie jeden Termin akribisch vor, recherchiere politische Ereignisse, studiere Landkarten, wälze Bücher, durchforste Zeitungen.
Außerdem verfüge die Kanzlei über ein riesiges Archiv. Ihre Tätigkeit sei mit vielen Emotionen verbunden. So sei sie schon dabei gewesen, wie sich Familienangehörige, die auf der Flucht voneinander getrennt worden waren, seit langer Zeit zum ersten Mal wieder sahen. Als positiv betrachtet sie, dass derzeit eine „humanere Flüchtlingspolitik im Entstehen“ sei.
Der wichtigste Feiertag
Deerys Lebensmittelpunkt ist Deutschland, aber sie hat nur die irische Staatsangehörigkeit und besucht regelmäßig Verwandte auf der grünen Insel. In Dublin hat sie im Pub gearbeitet. Guinness Bier mag sie nicht: „Zu stark“. Dafür aber das typisch irische Weihnachtsessen: gefüllter Truthahn, Cranberry-Soße, Trifle (eine Süßspeise) und Plumpudding, wobei der Heilige Abend für sie überhaupt keine Bedeutung hat – Iren feiern am 25 Dezember.
Der wichtigste Feiertag ist jedoch der 17. März: St. Patrick’s Day, der irische Nationalfeiertag. Da nimmt die Katholikin an der Prozession teil, die von St. Michael durch die Innenstadt bis zum Irish Pub führt. Natürlich hat Deery dabei etwas Grünes an: „Egal, wo auf der Welt ich mich gerade befinde, am 17. März trage ich diese Farbe.“
Irland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt, erzählt die Irin. „Als ich Kind war, brachten meine Eltern unseren Freunden und Verwandten immer ganz gewöhnliche Gebrauchsgegenstände mit, weil es die dort nicht gab. Das wäre heute undenkbar“. An ihren Landsleuten mag sie besonders deren Gastfreundschaft: „Wir Iren heißen die Menschen willkommen.“
Von Hauke Rudolph